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Schlagwort: Woyzeck

Woyzeck an der AVS

Woyzeck mit Neuntklässlern
Nach einem Jahr intensiver Proben hat an der Auguste-Viktoria-Schule in Itzehoe der Wahlpflichtkurs „Darstellendes Spiel“ (DSP) der neunten Klassen das Fragment „Woyzeck“ von Georg Büchner in 60 kurzweiligen Minuten auf die Bühne gebracht. Unterstützt wurde der DSP-Kurs von einer kleinen Gruppe aus dem Bereich der Offenen Ganztagsschule (OGTS).
Franz Woyzeck (hervorragend dargestellt von Niklas Kremer) ist ein einfacher Soldat, der mit seinem Sold nicht nur sich selbst sondern auch seine Geliebte Maire (gut gespielt von Marlene Fromeseyn) und das gemeinsame Kind versorgen will. Um seinen schmalen Sold aufzubessern, nimmt Franz Woyzeck mehrere Nebenjobs an: Er rasiert seinen arroganten Hauptmann (sensibel dargestellt von Tim Schiefelbein), der ihn während dessen ver- spottet, und nimmt an Experimenten eines Doktors teil (überzeugend gespielt von Nele Worf), der ihn monatelang nur Erbsen essen lässt und wie ein Versuchstier behandelt. Die einseitige Ernährung macht Franz Woyzeck krank und löst Halluzinationen bei ihm aus. Er sucht Rat bei seinem Kameraden Andres (dargestellt von Jonas Krause), der aber mit der Situation auch nicht umzugehen weiß. Schließlich hört Franz Woyzeck Stimmen, die ihm gebieten, Marie umzubringen. Er tut es.
Georg Büchner fragt mit dem Stück danach, wer für die von Woyzeck begangene Gewalttat verantwortlich ist. Die Inszenierung der Auguste- Viktoria-Schule unter der Leitung von Lehrerin Ute Timmermann (Mathe- matik, ev. Religion, Darstellendes Spiel) überträgt die Frage in die Gegenwart: Wer ist für die heute oft beklagten Gewalttaten verantwortlich? Wer ist beispielsweise (mit)verantwortlich für die Anschläge (islamischer) Terroristen?
Um die aktuelle Ebene in das Stück hineinzubringen, hat die OGTS-Gruppe das Stück durch Geisterszenen ergänzt. Samira Metzger überzeugt mit hervorragendem Spiel und viel Text als Geist von Marie. Nicht weniger überzeugend ist Leyla Koscis als Geist des Kameraden Andres. Der Geist des überheblichen Hauptmanns wird von Abdulrahman Azizeh wunderbar verkörpert, während Lara Götz den Geist des Doktors mit erfrischender Leichtigkeit darstellt. Last but not least ist Emil Gerlach als Geist eines sympathischen aber auch egoistischen Wirtes lobend zu erwähnen.
Eine andere Besonderheit dieser Woyzeck-Inszenierung sind schwarze Gestalten, die immer wieder die Bühne bevölkern und die Stimmen in Woyzecks Kopf darstellen. Es entstehen malerische Bilder und interessante Tanzchoreograhien (schön getanzt von Mardjan Assad, Ilva Heidorn, Emma Lange, Sophia Rückerl, Mia Sievers, Emily Thom und Vivien Gabriel). Immer wieder drängen die schwarzen Stimmen Woyzeck zum Mord an Marie – und feiern dessen Durchführung schließlich mit einem erlösenden Jubeltanz.
Als Zuschauer, der nichts verpassen möchte, hat man während der Aufführung kaum Zeit zum Klatschen, weil eine Szene in die nächste nahtlos
übergeht. Ermöglicht werden diese schnellen Übergänge von einer Szene zur nächsten durch ein gut überlegtes Bühnenbild, das zudem schön anzuschauen ist. Die Umbauten werden wie nebenbei von den Darstellern selbst erledigt.
Auch wenn es hinter der Bühne gelegentlich etwas unruhig war und einzelne Darsteller etwas zu leise gesprochen haben oder gelegentlich schmunzeln mussten, ist der Gruppe insgesamt eine sehr sehenswerte Darbietung mit großem Ideenreichtum und interessanten Musik- und Lichteffekten gelungen. Man darf sich schon gespannt auf die Präsentation des nächsten DSP-Kurses freuen.